Elektrochrome Gläser werden auf Knopfdruck dunkel, wenn die Sonne unangenehm heiß scheint. Dann halten sie die Wärme draußen. Durch einen zweiten Druck auf den Knopf hellen sie sich wieder auf. Das kalte Blau, das sie beim Verdunkeln annehmen, ist nicht Jedermanns Sache. Jetzt haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam Gläser entwickelt, deren Farbton beim Anlegen einer elektrischen Spannung wählbar ist. Außerdem haben sie die Schaltzeiten drastisch verkürzt. Bei großen Scheiben dauert es bisher bis zu 20 Minuten, ehe sie abgedunkelt sin. Mit der neuen Technik gelingt das in ebenso vielen Sekunden.
Bisher ist das Glas immer blau
Die Fensterhersteller setzen heute Glas ein, das mit transparentem Indium-Zinn-Oxid oder kostengünstigerem Fluor-Zinn-Oxid beschichtet ist. Diese Materialien leiten elektrischen Strom. Auf eine zweite Scheibe wird Wolframoxid aufgedampft. Die beschichteten Seiten der beiden Scheiben werden aufeinandergelegt. Getrennt werden sie von einem hauchdünnen gelartigen Elektrolyten. Fließt jetzt ein Gleichstrom zwischen den Beschichtungen, färbt sich das Wolframoxid blau. Kehrt man die Polung um, wird die Scheibe wieder hell.
Gießharz und Kunststoff sind das neue Rezept
Die Potsdamer Forscher beschichten zwei Scheiben mit leitfähigem Zinnoxid und positionieren sie in geringem Abstand. In den Hohlraum füllen sie Gießharz, das mit organische Monomeren, also speziellen Kunststoffen, angereichert ist. Das Harz härtet aus und fertig ist die elektrochrome Scheibe. Legt man jetzt eine relativ hohe Gleichspannung an vernetzen sich die Monomere zu einem Polymer, die sich an eine der beiden Zinnoxidschichten klammern. Dieses Polymer wechselt seine Farbe unter Stromeinfluss. Zum Verdunkeln genügt jetzt eine geringe Spannung. Wie bei den bisherigen Lösungen werden die Polymere wieder transparent, wenn sich der Stromfluss umkehrt. Die Farbe lässt sich durch eine entsprechende Auswahl des Monomer-Materials festlegen. Rot und lila sind derzeit möglich.
Scheiben sind auch begehbar
Die neuartigen Scheiben, die es bisher nur als Prototypen gibt, sind zudem besonders stabil. „Bereits ein Verbund aus zwei Scheiben reicht aus, um eine Überkopf-Verglasung oder begehbare Scheiben zu realisieren“, sagt Volker Eberhardt, der zum Entwicklerteam gehört. „Bisher brauchte man dazu einen Vielfach-Glas-Verbund.“